"Dunning-Kruger-Effekt"

 
Genau das ist der „Dunning-Kruger-Effekt“: Um korrekt beurteilen zu können, ob man etwas gut kann, muss man es gut können. Die Fähigkeiten, die man braucht, um Leistungen einzuschätzen, sind dieselben Fähigkeiten, die man auch benötigt, um diese Leistungen selbst zu vollbringen. Wer das eine nicht kann, wird meist auch am anderen scheitern. Gerade den ahnungslosesten, unfähigsten und inkompetentesten Leuten fällt es daher ganz besonders schwer, die eigene Ahnungslosigkeit zu erkennen. Diese bittere Erfahrung haben wir wohl alle schon einmal gemacht – auf ganz unterschiedlichen Gebieten. Man kauft sich eine Gitarre und würgt die ersten verkrampften Akkorde aus ihr heraus. Die Begeisterung ist groß, und man zweifelt nicht daran: Der Aufstieg zum gefeierten Weltstar ist sicher nur noch eine Frage der Zeit. Doch dann übt man weiter, schult das eigene Gehör, bekommt ein Gefühl für die Feinheiten des Instruments und erkennt: Was die wahren Profis zustande bringen, ist doch noch einmal etwas völlig anderes. Die eigene Leistung wird zwar kontinuierlich besser, aber die Zufriedenheit mit dem Resultat nimmt eher ab.
Dasselbe lässt sich auch im Bereich der Wissenschaft beobachten: Begeisterte Hobbyforscher finden ein Buch über die Relativitätstheorie und sind plötzlich überzeugt davon, Albert Einstein widerlegen zu können. Hoffnungsvolle Esoteriker lassen sich im Wochenendseminar zum Teilzeitwunderheiler ausbilden und glauben dann, der wissenschaftlichen Medizin widersprechen zu können. Enthusiastische Garagenbastler schrauben an einem elektrischen Generator herum und sind zuversichtlich, ihn mit ein bisschen Schmieröl und technischem Geschick in ein Perpetuum mobile umbauen zu können. Wenn ein paar Naturgesetze etwas dagegen haben, dann muss man sich eben neue suchen! Sie alle sind Opfer des Dunning-Kruger-Effekts. Ihnen fehlt das nötige Wissen über wissenschaftliche Fakten, um einzusehen, dass sie über wissenschaftliche Fakten sehr wenig wissen. Im besten Fall lernen sie dazu und sehen irgendwann ein, dass man als Einzelperson nicht so einfach die gesamte Wissenschaft zerschlagen kann. Im schlechtesten Fall bleiben sie dauerhaft im Stadium der Selbstüberschätzung stecken–dann verbringen sie ein selbstbewusstes, aber wissenschaftlich höchst unproduktives Leben als Esoteriker.
- Die Schwerkraft ist kein Bauchgefühl: Eine Liebeserklärung an die Wissenschaft.
von Florian Aigner